Warum die Konzentration auf Sex im Kloster?

@Thomas Wieland

Bei meiner Buchrecherche „Starke Schwestern – Inspirationen für ein anderes Leben“ begegnete mir ein Phänomen: Nonnen werden vielfach nur auf fehlende Sexualität reduziert: Wer bei der Fotoagentur Shutterstock nach Bildern von Nonnen sucht, bekommt vor allem lüsterne Frauen im Ordensgewand. Bei Google führen vor allem die Frage: „Haben Nonnen Sex?“ und „Haben Nonnen Kinder“ zu hohen Klickzahlen. Das Wissen über das Leben von Ordensfrauen geht mehr und mehr verloren, da diese aus unserem Alltag verschwinden.

Die lüsterne Oberin von Sant´Ambrogio

Bei meiner Literatursuche stieß ich auf das Buch des Theologen Hubert Wolf „Die Nonnen von Sant´Ambrogio – eine wahre Geschichte.“ 2013 landete der Münsteraner Kirchenhistoriker einen Bestseller. In Geheimarchiven des Vatikans hatte er Akten gefunden, die die skandalösen Vorgänge in einem römischen Klausurkloster ans Licht brachten. Die dortige Oberin Maria Luisa ließ sich als Heilige verehren. Sie zwang junge Schwestern zum Sex und küsste den Priester. Der Vatikan hatte versucht, die Vorgänge zu vertuschen. Die Inquisitionsakten sollten für immer im Archiv verschwinden.

Reduktion in der Oper – Die Teufel von Loudon

Als ich mein Buch fast fertiggeschrieben hatte, verbrachte ich einen Abend im Juni 2022 in der Münchner Staatsoper. Bei der Eröffnung der Münchner Opernfestspiele sah ich „Die Teufel von Loudon“. Hier standen die sündigen Phantasien von Nonnen im Mittelpunkt. Sie sehnten sich nach Sex mit einem lüsternen Priester. Geistliche trieben den Nonnen ihre sexuellen Wünsche mit Teufelsaustreibungen aus. Der polnische Komponist Krzysztof Pendereck stützte sich bei seiner Oper von 1969 auf eine wahre Begebenheit.

Verteufelte Sexualität

Bis heute scheinen diese Fälle nachzuwirken. Wer als Ordensfrau in der Vergangenheit sexuelle Gefühle zeigte, lief Gefahr scharf verurteilt zu werden. Schwestern drohte die Inquisition und die Teufelsaustreibung durch Priester. Während die Homosexualität bei Mönchen und Priestern schon lange thematisiert wird, ist das Thema bei Schwestern tabuisiert. Parallel deutete die Kirche jahrhundertelang erotische Lust als mystische Verschmelzung um. Erst in jüngster Zeit erkennt die katholische Kirche an, dass Priester Nonnen missbrauchten.

Und heute?

In meinen Interviews spielte die eigene Sexualität kam eine Rolle – Missbrauch mitunter wohl. Die katholischen Schwestern Emmanuela Kohlhaas, Philippa Rath und Katharina Kluitmann treten für eine Kirche ein, in der Frauen Priesterinnen werden können. Sie wollen, dass gebildete Schwestern keinen Geistlichen mehr brauchen, der die Messe liest. Im Buddhismus kämpfen Nonnen ebenfalls für eine Vollordination und eine Gleichberechtigung mit Mönchen.

Starke Schwestern – Dr. Felicitas von Aretin

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