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Väterliches Schreibgerät

Wahrscheinlich liegt es an meinem Vater. Auf seinem Schreibtisch lagen stets mindestens zwei Füller. Auch der Geruch von frischer, schwarzer Tinte ist mir noch gut in der Nase. Zuerst schnitt er sich kleine weiße Blätter zurecht. Als nächstes beschrieb er diese mit seiner ausladenden Schrift mit seinem Füller. Nachdem er dies gemacht hatte, ließ er sie in seinen Büchern zurück. Obgleich ich mich bemühte, dass die Zettel nicht herausfielen, scheiterte ich oft. Dann sammelte ich die Zettel vom Boden auf.

Süchtig nach Tinte

Später wurde ich süchtig nach dem Geruch der schwarzen Tinte. Infolgedessen drehte ich heimlich sein Tintenfass auf, um an der Tinte zu riechen. Jedes Mal hatte ich Angst, das Fass umzuschmeißen. Dies passierte mir regelmäßig. Damals gab es noch keine Tintenpatronen. Mein Vater steckte seine Füller in die Tinte und zog den Kolben auf. Ich wollte auch mit einem Federhalter schreiben.

Die Übernahme des Füllers

Weniges macht mich nervös. Allerdings wenn ich meinen Füller nicht finde, suche ich solange bis ich ihn habe. Auf jeden Fall nehme ich ihn überall mit. Da es seit Januar keine Tintenpatronen für meinen Cross-Füller gab, musste ich auf ein Tintenfass ausweichen. Neulich ist eines in meiner Tasche ausgelaufen. Jetzt riecht sie nach Tinte. Inzwischen schreibe ich die Gliederung meiner Buchkapitel mit Füller. Und ich ertappe mich regelmäßig, dass ich vor dem Schlafengehen an meinem Tintenfass rieche. Inzwischen schreibe ich mit dem Füller meines Vaters – und denke so täglich an ihn.

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https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/menschen/zum-tod-des-historikers-karl-otmar-von-aretin-12872846.html

Ich war in meinem Zimmer in Kloster Selbitz angekommen. An der Tür hatten aufmerksame Schwestern meinen Namen auf das Schild an der Tür geschrieben. Wie in jedem Kloster ging ich früh zu Bett. Gegen Mitternacht erwachte ich das erste Mal und fand ein Holzkreuz in meinem Bett. Ich hängte es wieder an den Nagel, um gegen 2 Uhr morgens erneut senkrecht im Bett zu stehen. Wieder lag das Holzkreuz auf meiner Bettdecke. Bei dem Versuch, es aufzuhängen, fiel der Nagel herunter, den ich unter dem Bett nicht wiederfand. Ich beschloss, das Holzkreuz auf den Schreibtisch zu legen und konnte nicht mehr einschlafen, weil ich mir Gedanken darüber machte, dass die Schwestern ein Holz auf dem Tisch für Blasphemie halten könnte. Nach einer schlaflosen Nacht war es mir schließlich egal.

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Communität Christusbruderschaft Selbitz

@Thomas Wieland

Bei meiner Buchrecherche „Starke Schwestern – Inspirationen für ein anderes Leben“ begegnete mir ein Phänomen: Nonnen werden vielfach nur auf fehlende Sexualität reduziert: Wer bei der Fotoagentur Shutterstock nach Bildern von Nonnen sucht, bekommt vor allem lüsterne Frauen im Ordensgewand. Bei Google führen vor allem die Frage: „Haben Nonnen Sex?“ und „Haben Nonnen Kinder“ zu hohen Klickzahlen. Das Wissen über das Leben von Ordensfrauen geht mehr und mehr verloren, da diese aus unserem Alltag verschwinden.

Die lüsterne Oberin von Sant´Ambrogio

Bei meiner Literatursuche stieß ich auf das Buch des Theologen Hubert Wolf „Die Nonnen von Sant´Ambrogio – eine wahre Geschichte.“ 2013 landete der Münsteraner Kirchenhistoriker einen Bestseller. In Geheimarchiven des Vatikans hatte er Akten gefunden, die die skandalösen Vorgänge in einem römischen Klausurkloster ans Licht brachten. Die dortige Oberin Maria Luisa ließ sich als Heilige verehren. Sie zwang junge Schwestern zum Sex und küsste den Priester. Der Vatikan hatte versucht, die Vorgänge zu vertuschen. Die Inquisitionsakten sollten für immer im Archiv verschwinden.

Reduktion in der Oper – Die Teufel von Loudon

Als ich mein Buch fast fertiggeschrieben hatte, verbrachte ich einen Abend im Juni 2022 in der Münchner Staatsoper. Bei der Eröffnung der Münchner Opernfestspiele sah ich „Die Teufel von Loudon“. Hier standen die sündigen Phantasien von Nonnen im Mittelpunkt. Sie sehnten sich nach Sex mit einem lüsternen Priester. Geistliche trieben den Nonnen ihre sexuellen Wünsche mit Teufelsaustreibungen aus. Der polnische Komponist Krzysztof Pendereck stützte sich bei seiner Oper von 1969 auf eine wahre Begebenheit.

Verteufelte Sexualität

Bis heute scheinen diese Fälle nachzuwirken. Wer als Ordensfrau in der Vergangenheit sexuelle Gefühle zeigte, lief Gefahr scharf verurteilt zu werden. Schwestern drohte die Inquisition und die Teufelsaustreibung durch Priester. Während die Homosexualität bei Mönchen und Priestern schon lange thematisiert wird, ist das Thema bei Schwestern tabuisiert. Parallel deutete die Kirche jahrhundertelang erotische Lust als mystische Verschmelzung um. Erst in jüngster Zeit erkennt die katholische Kirche an, dass Priester Nonnen missbrauchten.

Und heute?

In meinen Interviews spielte die eigene Sexualität kam eine Rolle – Missbrauch mitunter wohl. Die katholischen Schwestern Emmanuela Kohlhaas, Philippa Rath und Katharina Kluitmann treten für eine Kirche ein, in der Frauen Priesterinnen werden können. Sie wollen, dass gebildete Schwestern keinen Geistlichen mehr brauchen, der die Messe liest. Im Buddhismus kämpfen Nonnen ebenfalls für eine Vollordination und eine Gleichberechtigung mit Mönchen.

Starke Schwestern – Dr. Felicitas von Aretin

www.herder-verlag.de